Das BBI

Burgdorf erfindet sich in seinen Geschichten Eine «ungemalte Landschaft» ist die Landschaft in unseren Köpfen, die wir uns durch Erziehung und Lektüre aufgebaut haben und die es uns erlaubt, die Umwelt als Landschaft wahrzunehmen und ihr eine Bedeutung zuzuordnen. Der kleinste Eingriff wäre derjenige, der eine Landschaft verändert ohne den Einsatz von Bulldozern und Kunstdüngern, alleine dadurch, dass die Landschaft in unseren Köpfen verändert wird und wir deshalb die Landschaft, die wir erblicken, eine andere Bedeutung geben. Luzius Burckhardt. Der Minimale Eingriff (1987) Der visionäre Stadtspaziergänger und Landschaftstheoretiker Luzius Burckhardt bringt es auf den Punkt: Die Welt ist das, was wir sehen – und das, was ihr uns von ihr erzählt. Die Stadt Burgdorf ist ein geografischer Ort, der sich auf der Landkarte lokalisieren lässt. Aber was bedeutet dieser Ort für die Menschen, die in ihm leben? Wie erleben und sehen sie ihr Leben in diesem Lebensraum? Die Antworten finden wir in den Erzählungen, die die Menschen in diesem Ort miteinander austauschen. Hier setzt das Erzählprojekt der «Burgdorfer Stadtgeschichten» an. Wir wollen Geschichten sammeln, die in der Stadt Burgdorf spielen oder die zu den Menschen gehören, die sich in der Stadt bewegen. Daraus ergibt sich ein Stadt-Bild, das keineswegs statisch ist. Denn indem wir Erzählungen sammeln, aufschreiben und weitererzählen, greifen wir bereits wieder in den Raum des Erzählens ein. Wir bringen unerzählte, vielleicht unerhörte Geschichten zum Klingen. Wir fügen den bekannten Bildern neue hinzu. In einer ganz konkreten Blickweise bringt das Sammeln, Erzählen und Weitererzählen von Geschichten eine ganze Reihe von grossen und kleinen Begegnungen in Gang, die das Stadtleben stimulieren. Alt und Jung, Neuzugezogene und Burger, Badigäste und Stadtspaziergänger kommen über die Geschichten in Kontakt miteinander. Das kann in der aktuellen Situation ein grosser Gewinn sein, denn Burgdorf befindet sich in einer sehr dynamischen Situation: Es wird gebaut, Wohnraum entsteht, die Stadt gewinnt neue Einwohnerinnen und Einwohner. Anders als früher werden sich die neuen Einwohner, aber auch die Angehörigen der jüngeren Generation nicht mehr über die Mitarbeit in Vereinen in der Stadt verwurzeln. Es gibt auch nicht mehr eine tägliche Berichterstattung über das Burgdorfer Geschehen. Geschichten sind Einladungen, schlagen Brücken, schaffen gemeinsame Räume, schaffen Stadtbewusstsein, Ortsbewusstsein. Die Burgdorfer Stadtgeschichten beleben den öffentlichen Raum, sie führen Neuzuzüger in die Stadtkultur ein. Wie Geschichten wirken: Sammeln, erzählen, berühren Wirken können Geschichten nur, wenn sie ihre Zuhörer erreichen. Wenn sie verblüffen, irritieren, erheitern, provozieren, nachdenklich machen oder zu Widerspruch herausfordern. Die Erzählanlässe müssen deshalb mit Sorgfalt und Flair in Szene gesetzt werden. Wenn Geschichten berühren sollen, dann dürfen sie nicht nur schön und gefällig sein – sie müssen Grundthemen des Lebens berühren und auch Schwieriges in Worte fassen. Das heisst: Beim Sammeln der Geschichten muss Vertrauen aufgebaut werden. Wir müssen neugierig und sorgfältig nachfragen. Wie wir vorgehen «Oral history»: Wir fragen nach den Umständen des Lebens und zeichnen ungeschminkt auf, was wir hören. Das ist die Methode der Oral History. Sie will nicht besonders schöne oder träfe Geschichten, sondern Erzählungen, die vom Leben der Menschen handeln und die gleichzeitig die «grosse» Geschichte spiegeln. Journalistischer Ansatz: Geschichten, brauchen Form und Gestaltung, die allerdings nicht verfälschen darf. Das ist es, was der journalistische Ansatz einbringt: Gute Fragen stellen, die zu guten Geschichten führen. «Show don’t tell» – das ist der Leitsatz des journalistischen Schreibens. Narrativer Ansatz: Erzählungen sind in Form gebrachte Erinnerungen, es sind Verdichtungen des Lebens auf entscheidende, bedeutende Momente. Darum funktioniert das Erzählen schon seit jeher so gut. Es ist existentiell. Darum muss uns auch bewusst sein: Erzählungen sind nie nur Inhalte, ist nie nur «Content» – sondern immer ein urmenschlicher Auftritt. Interventionen: Als Geschichtensammlerinnen und -sammler treten wir an Menschen heran, wir treten im öffentlichen oder einem privaten Raum auf. Wir bringen das Erzählen in Gang. Die Geschichten, die wir sammeln, sollen zurückwirken auf den Raum, in dem sie entstanden sind und hinauswirken in andere Räume. Das Sammeln, Erzählen und Weitererzählen von Geschichten schafft im realen und übertragenen Sinn einen «Erzählraum», in dem sich Begegnung ereignet. Geschichten in den verschiedensten Orten einer Stadt zu sammeln heisst, den emotionalen Wert dieser Lebensräume zu steigern. Mit den Geschichten steigt der Wert eines Ortes. Er wird erfahrbar als Schauplatz des menschlichen Lebens.

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